PCOS – Das Interview Teil 2

In Teil 2 des PCOS Interviews mit meiner Langzeit-Fallstudienpatientin (FSP) geht es um die Behandlung und das Coaching. Als erstes sollte der Lebensstil geändert werden. Kein einfaches Unterfangen, wenn man eine Patientin hat, die jung ist und das Leben geniessen will. Partys gehören dazu, wie Fast Food und Alkohol und Rauchen. Alles auch für Gesunde nicht gesund, für Frauen mit PCOS ein Desaster. Wir konnten die Entgleisung rückgängig machen und neue Lebensqualität schaffen. Lesen Sie nach PCOS – Das Interview Teil 1 nun Teil 2.

AIMED: Welche Belastungen musstest du bewältigen, um mit der Erkrankung ein normales Leben zu führen?

FSP: Ich musste als erstes meine Ernährung umstellen. Fast und Junk Food, Alkohol, Chips und Süssigkeiten – halt alles, was man so in der Teenagerzeit cool findet. Und mit Rauchen aufhören. Wobei das habe ich noch eine Weile heimlich durchgezogen. «Gesund» leben, klang so langweilig, so spiessig. Aber ja, ich habe mich drauf eingelassen, weil ich mich in mir selber nicht mehr wohl gefühlt habe.

AIMED: Und wie funktionierte das so?

FSP: Viel selber kochen, Ausdauer- und Kraftsport in den Tag einbauen und richtig wenig Kalorien zu mir nehmen. Das war eigentlich das härteste an der Umstellung. Wir haben ausgerechnet, dass 1200 kcal/Tag das Mass sind und ich mit Sport das ganze hochpuschen kann. Und ich habe gelernt, wenn ich mich nicht dranhalte, dann steigt das Gewicht gefühlt stündlich wieder an. Nein, ehrlich, es geht aber rasend schnell. Ich muss ungemein diszipliniert leben.

AIMED: Wenn du an die Zukunft denkst, was macht dir hinsichtlich PCOS als lebenslanger Begleiter Angst?

FSP: Nichts mehr. Ich werde ein Baby haben. Das ist mir so viel wert, dass ich alles an Einschränkung in Kauf nehme. Und wenn ich mein Gewicht einigermassen schnell in den Griff bekomme und meine Blutwerte wieder normal sind, dann macht mir PCOS keine Angst mehr. Irgendwie vergleiche ich mich mit Menschen, die Typ 1 Diabetiker sind und auch nach einem festen Plan ein ziemlich normales Leben führen.

AIMED: Wie gefällt dir unsere Idee, die “PCOS-bewusstmach” Tour Österreich zu machen?

FSP: Super! Ich finde es toll, wenn sich Menschen für eine Sache stark machen. PCOS ist so verbreitet und doch so unbekannt, da ist jede Aktion wichtig. Eine Tour durch Österreich zu machen, ist irgendwie Hammer.

AIMED: Es fahren zwei Mitglieder des TeamDEBECs die ca. 700km. DEBEC ist die Methode, die eingesetzt wird, um Stoffwechselentgleisungen wieder auf Spur zu bringen. Wie hat dir diese Methode geholfen?

FSP: Zu allererst finde ich es so schade, dass ich nicht mitradeln kann. Aber wenn alles gut geht, bin ich dann gerade seit 6 Wochen Mami. Ich glaube, da bin ich entschuldigt (lacht). Ich kann die Methode nur empfehlen. Zuerst wurde ich gefragt, was mich am meisten belastet und damit sind wir dann gestartet. Bei mir waren es die Haare und nicht das Gewicht. Leider hat der Versuch mit Elektro-Epilation nicht funktioniert. Ich bin zu schmerzempfindlich. Wobei alle anderen Methoden auch nicht schmerzfrei sind. Heut nutze ich verschiedene Möglichkeiten. Dann haben wir recht schnell die Ernährung angeschaut. Klar, dass Fastfood und Alkohol verboten wurden, aber ich habe viele Ideen mitbekommen und konnte das Ernährungstagebuch als Fotodoku schicken. So hatten wir zwar nicht immer genaue Mengen und Kalorien, aber so in etwa. Das hats schon gebracht.

AIMED: Nur Ernährung?

FSP: Nachdem die ersten Kilo von insgesamt 20 weg waren, habe ich mich wieder dem Sport genähert. Joggen. Von drei mühsamen Kilometern zum Wiener Halbmarathon. Das hat mir so viel Power gegeben. Entspannung war etwas schwieriger, aber ich lese gern und so konnte ich auch in diesem Bereich punkten. Ich habe fast jeden Monat ein Kilo verloren, wurde immer wieder neu eingestellt und richtig gut begleitet. Bis heute.

AIMED: Coaching, Mentoring, CoachMenting… nur Begriffe oder hat dir das was auf deinem Weg zur Lebensstilumstellung gebracht?

FSP: Coaching ist sehr wichtig, denn allein gelassen fällst du sehr schnell in deine alten Muster zurück. Mentoring ist auch wichtig, denn ich wusste eigentlich so gut wie gar nichts über Lebensmittel, Lagerung, Zubereitung und Kalorien usw. Das ganze zusammen hat mir den Erfolg gebracht. Ich bin heute in der Lage, mich gesund zu ernähren und habe Spass am Einkaufen und kochen. Über Sport denke ich gar nicht mehr nach, der gehört für mich dazu, wie Zähne putzen. CoachMenting fasst es gut zusammen. Übrigens ging der grösste Teil der Betreuung online. Das fand ich  sehr praktisch.

AIMED: Manche Frauen mit PCOS vermeiden eine Partnerschaft. Hattest du Probleme und kannst du Tipps geben?

FSP: Kann mich nicht so richtig daran erinnern. Da ich ja dachte, alles sei normal, hatte ich mit ersten Bekanntschaften keine soooo grossen Probleme. Und mit meinem Ehemann sowieso nicht. Ich bin ich unsagbar glücklich. Er hat zwar auch nicht unbedingt das Verständnis für PCOS, aber wir machen es auch nicht zum alles beherrschenden Thema. Gesunde Lebensweise kommt auch ihm zugute und ich mache es einfach.

AIMED: Und dein grösstes Glück? Wie würdest du das beschreiben?

FSP: Ganz klar, meine Schwangerschaft ohne In vitro und Hormone und dem ganzen technischen Kram. Meine Familie und die Gewissheit, dass man PCOS in den Griff bekommen kann, wenn man nur ein bisschen diszipliniert ist. Ich hoffe, die Erkrankung wird bald bekannter und die Frauen müssen weniger lang leiden. Ja, das wünsche ich mir. Und dass die Medizin oder die Forschung die Ursache findet, ein Medikament entwickelt und PCOS behandelbar wird. Oder zumindest einen Selbsttest, damit man ganz früh sein Leben neu einstellen kann. Fast zehn Jahre Leidenszeit sind zu lange und manche erfahren nie oder noch später, was mit ihnen los ist.

Vielen Dank für deine Offenheit und deine Antworten auf unsere Fragen. Vielleicht erfahren wir noch mehr, wenn das Baby da ist und der Alltag einkehrt.

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