PCOS – Das Interview Teil 3

Im Interview heute die Mutter einer an PCOS erkrankten Tochter (MEAPET). Wie hat sie die Zeit vor der Diagnose und dann danach empfunden. Was rät sie anderen Müttern, was würde sie heute anders machen. Für Betroffene ist es nicht leicht PCOS zu akzeptieren, und die Familie muss ebenfalls lernen damit umzugehen. Und oft ist Zeit bis zur Diagnose für alle eine anstrengende und zermürbende Zeit. Erfahrungsaustausch kann sehr hilfreich sein und AIMED hofft, auf mehr Mutige, die sich den Interviewfragen stellen wollen. Lesen Sie gern auch Interview Teil 1 und Teil 2.

AIMED: Als Mutter einer an PCOS erkrankten Tochter (MEAPET) fühlen Sie sich wie?

MEAPET: Hilflos. Ja, ich denke das trifft es am ehesten. Früher als ich nicht Bescheid wusste und dachte, meine Tochter liesse sich gehen, würde übertreiben und ich zweifelte, die richtigen Werte weitergegeben zu haben, da fühlte ich oft Wut. Und ich glaube, das hat sie auch gespürt. Ich dachte, so schlimm muss man selbst in der Pubertät nicht sein. Irgendwie dachte ich auch mit 17 sollte sie schon fast am Ende dieser Zeit sein.

AIMED: Wie sind Sie damit umgegangen?

MEAPET: Ich habe versucht Vorbild zu sein, beim Essen, Sport machen, Arbeitsdisziplin, Ordnung usw. Aber ich glaube, das hat sie ziemlich unter Druck gesetzt.

AIMED: Haben Sie miteinander gesprochen?

MEAPET: Wir haben glücklicherweise immer ein gutes Verhältnis gehabt und auch immer wieder betont, dass das jetzt zur Pubertät gehört und wir alle ja auch mal in der Pubertät waren. Ich selber war schlimm in der Zeit und im Nachhinein wollte ich nicht meine Eltern gewesen sein. Anders als die, wollen wir aber eine Familienkultur erhalten, die auch solche heftigen Zeiten übersteht. Und es ist ja auch nicht permanent so aufregend.

AIMED: Wann ist Ihnen klar geworden, dass da mehr als nur Pubertät dahintersteckt.

MEAPET: Als erstes ist mir der doch starke Haarwuchs an den Beinen aufgefallen, wenn meine Tochter kurze Röcke oder Shorts trug. Und irgendwie kam mir das zu viel vor. Wenn wir gemeinsam Frühjahrsfasten machten – wegen der Bikinifigur – nahm sie bei gleicher Menge Essen viel langsamer ab und ich dachte schon, sie würde heimlich essen. Angst gemacht hat mir aber ihre manchmal bleierne Müdigkeit. Sie wirkte wie in Zeitlupe. Mir kamen Zweifel, ob das alles Pubertät ist. Klar geworden ist es mir aber erst, als sie zu unserer Silberhochzeit anreiste und richtig dick geworden war. Die Fettverteilung an Bauch und Hüften machte mich stutzig und auch das Körperfett selber. Es hatte so einen tanzenden Charakter. Ihre Gesichtshaut war so fahl und sie sah krank aus.

AIMED: Und wie sind Sie dann weiter vorgegangen?

MEAPET: Da muss ich kurz abschweifen. Diese Fettkonsistenz hat mir keine Ruhe gelassen. Das war nicht Fett von zu viel und falsch essen – nicht nur. Ich habe mich erinnert, dass mein Opa immer enttäuscht war, dass das Fleisch in der Pfanne auf die Hälfte zusammenbrutzelte. Er meinte, die Hormone, die die Tiere bekommen, würde das machen.  Ja, komisch, dass ich mich daran erinnern musste. Aber es führte mich auf den richtigen Weg. Hormone. Was, wenn bei meiner Tochter die Hormone nicht funktionierten. Und dann Dank Internet suchte ich mir Informationen zusammen. Das alles habe ich dann mit meiner Tochter besprochen und wir haben einen Termin beim Frauenarzt gemacht. Da war sie gerade 20 Jahre alt geworden.

AIMED: Und dann haben Sie die Diagnose erhalten. Das muss hart gewesen sein. Wie haben Sie beide das verkraftet?

MEAPET: Da ich irgendwas in dieser Richtung schon vermutete, war ich fast etwas erleichtert. Meine Tochter reagierte geschockt. Wir haben dann ein paar Tage Urlaub gemacht und eine Strategie ausgearbeitet. Ich wollte helfen so gut ich konnte. Da sein, wegbleiben… was sie wollte. Die Ernährungsberatung wollte sie nicht machen. Sie meinte, das können wir selber. Aber es hat alles schon eine Weile gedauert, bis wir irgendwas wie Normalität leben konnten.

AIMED: Haben Sie und wenn ja, wovor haben Sie Angst, wenn Sie an die Zukunft denken?

MEAPET: Ich habe Angst vor der Zeit, wenn Kinderwunsch aufkommt und es nicht klappen will. Die Hormontherapien oder Eingriffe und die psychische Belastung, wenn die In Vitro und ähnliche Massnahmen nicht funktionieren. Ich weiss nicht, ob ich so lange soviel Zuversicht verbreiten kann, wie ich es möchte. Und ich habe wirklich Angst, dass mein Kind daran zerbricht. Das ist etwas ganz tief in mir drinnen. Und daneben kauert etwas wie Hoffnung. Warum sollte es nicht klappen, wenn der Stoffwechsel einigermassen normal läuft und Normalgewicht erreicht ist. Wenn sie bedrückt ist, richte ich sie auf und umgekehrt. Ist schon witzig, wie wir funktionieren.

AIMED: Wenn Sie könnten, was würden Sie sich wünschen?

MEAPET: Das meine Tochter gesund wird. Aber ich weiss mittlerweile, dass es keine Heilung gibt. Man kennt ja nicht mal die Ursache bis jetzt. Und die Behandlungsmethoden hängen vom Arzt ab, den man aufsucht. Dass so schnell die Pille verschrieben wird, finde ich nicht gut. Hormone auf eine Hormonerkrankung. Nein da habe ich einfach kein gutes Gefühl. Was ich super gefunden hätte?Einen Test zu haben, mit dem man schnell ein Ergebnis hat. So ähnlich wie ein Schwangerschaftstest. Und mehr Hilfe.

AIMED: Was für Hilfe stellen Sie sich vor?

MEAPET: Selbsthilfegruppen oder ähnliches. In Deutschland gibt es eine sehr gute. In Österreich habe ich so etwas noch nicht gefunden. Die Schweiz glaube ich baut gerade eine auf. Dann viel mehr seriöse Informationen. Was bedeutet PCOS für das tägliche Leben. Die einen sagen, ist doch alles nicht so schlimm, die anderen zählen die sämtliche schlimmen Begleiterkrankungen auf. Eine Bekannte mit PCOS hatte mit 30 Gebärmutterhalskrebs. Und eine App wär hilfreich. In der heutigen Zeit könnte man Zykluskalender und BMI-Rechner und Kalorientabellen usw. zusammenführen. Ich glaube, dass die betroffenen Mädchen und Frauen mit so was ihre Erkrankung besser steuern könnten.

AIMED: Und was raten sie anderen Müttern?

MEAPET: Reden, da sein, offen sein… es muss gar nichts dahinter stecken, wenn sich Mädels in der Pubertät eigenartig verhalten und entwickeln, es kann aber auch PCOS sein. Bevor das nicht geklärt ist, würde ich mich auf keine pubertären Auseinandersetzungen einlassen. Manchmal denke ich, wenn ich doch schon früher reagiert hätte…. Aber ich weiss, dass das nun gar nichts bringt. Ich habe gute Erfahrungen gemacht, interessiert zu bleiben und bin meiner Tochter Mutter geblieben und Freundin geworden.

AIMED bedankt sich für die Einblicke in die Welt der Beteiligten von Betroffenen.

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